Von Demut und Genetik

Hätte mir vor einem halben Jahr jemand geweissagt, dass ich am 30. August diesen Jahres mit meinem Sohn ins Stadion wackele, um dort den HSV gegen Paderborn zu sehen, hätte ich gedacht: Scheiße! Es wird uns also doch erwischen. Diesmal sind wir fällig. Die Uhr bleibt stehen.

Dass es dann doch irgendwie anders kam, ist mit Glück allein kaum zu erklären. Das große Wort in und um den HSV in diesem Sommer hieß Demut. Demütig solle man gefälligst dafür sein, das Zimmer in der obersten Etage weiterhin bewohnen zu dürfen, obwohl man dort mehrere Rohrbrüche und Kabelbrände zu verantworten, sowie noch dazu das Parkett verheizt hat. Soweit so richtig.

Ich hingegen glaube inzwischen allerdings immer mehr, dass Vereine so etwas wie eine eigene DNA haben, die sie gegen bestimmte Zustände zuverlässig zu immunisieren scheint. Bayer Leverkusen beispielsweise kann einkaufen wen es will, sie werden nie Deutscher Meister. Egal, wie großartig sie auch spielen, dem Klub fehlen ganz offensichtlich genetisch bedingt die hierfür erforderlichen Rezeptoren. Die vereinseigenen Antikörper werden ihn Zeit seines Lebens vor jeder Berührung mit der Meisterschale schützen, der Titel wird automatisch abgestoßen. Ich bin sicher, dass in den Bayer-Laboren fieberhaft an der Manipulation der eigenen DNA geforscht wird, allein ich befürchte vollkommen vergeblich. Die Natur lässt sich nun mal einfach nicht austricksen.

Für etwas, was wohl nur aus einer Sektlaune der Schöpfung heraus zu erklären ist, muss man sich als Leverkusener natürlich ebenso wenig schämen, wie man als Hamburger überheblich sein sollte, nur weil diesem Klub wiederum das notwendige Gen für den Abstieg zu fehlen scheint. Es klappt einfach nicht, egal wie sehr man sich auch anstrengt. Und das haben sie zuletzt nun weiß Gott: 27 Punkte, 75 Gegentore und 21 Niederlagen aus 34 Spielen – Rekordnichtabsteiger! Dazu kein Sieg in zwei Relegationsspielen und dennoch hat es wieder nicht geklappt mit dem Rauswurf aus dem Obergeschoss. Atemberaubend.

Ja ich bin demütig, demütig vor der Natur und ihren ebenso rätselhaften wie genialen Strategien. Nun also Paderborn. Da war doch was. Richtig, Hoyzer! Aber das das ist nun wieder eine ganz andere Geschichte. Egal, morgen geht’s ins Stadion. Die 52. Saison ohne Unterbrechung. Meinem Sohn lasse ich die Illusion, dass zumindest rein theoretisch jeder Verein Meister oder Absteiger werden könnte. Nicht nur von wegen der Spannung, Er ist ganz einfach auch noch viel zu klein, um das zu verstehen.

2 Kommentare

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2 Antworten zu “Von Demut und Genetik

  1. helmut

    Der arme Bub..

  2. robert

    Lieber Frank,
    ich habe gestern mit meinem Sohn eine bittere 0:4 Klatsche im Stadion ertragen müssen. Allerdings haben wir an der Alten Försterei die wunderbare Tradition, unsere Mannschaft, so sie denn gekämpft hat und evtl sogar noch ein wenig benachteiligt wurde, auch nach herben Niederlagen noch minutenlang nach Abpfiff zu Feiern. Nicht nur den Spielern standen Tränen in den Augen im Angesicht dieser grossen Verbrüderung. Ich hoffe, ihr habt da auch irgendwas in Hamburg, was du deinem Sohn mitgeben kannst von so einem Kacktag.

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